In Österreich wird aktuell intensiv über die Entwicklung der Lebensmittelpreise diskutiert. Zuletzt ist dabei auch der Lebensmittelhandel ins Visier des grünen Sozialministers geraten. Höchste Zeit für einen Faktencheck, um diese unfairen Vorwürfe zu entkräften.
Ist der Handel für die gestiegenen Lebensmittelpreise verantwortlich?
Fakt ist: Der heimische Lebensmittelhandel agiert inflationsdämpfend und hat im letzten Jahr sogar ein reales (inflationsbereinigtes) Umsatzminus von -3,2% erwirtschaftet. Man muss „Ursache“ und „Wirkung“ unterscheiden. „Ursache“ sind neben den gestiegenen Finanzierungskosten und deutlichen Lohnerhöhungen, vor allem die hohen Energiekosten, die bspw. den Dieselpreis erhöht haben, wodurch der Traktor im landwirtschaftlichen Einsatz teurer wurde, ebenso die Verarbeitung, Lieferung und Kühlung.
Die Energieversorger haben die zuletzt stark gesunkenen Energiepreise an den Börsen bis heute weder an die Haushalte noch an die Handelsbetriebe weitergegeben. Hier herrscht tatsächlich Handlungsbedarf.
Warum ist die vom Sozialminister– über die Medien – verkündete Untersuchung zu den gestiegenen Preisen im Lebensmittelhandel einseitig und ungerechtfertigt?
Fakt ist: Gerade internationale Markenartikelproduzenten, die zuletzt vielfach zweistellige Gewinnmargen realisiert haben, aber auch Molkereien und Bündelbetriebe aus der landwirtschaftlichen Produktion müssten zu einem klärenden Austausch zum Kontext der gegenwärtigen Situation eingeladen und einbezogen werden, damit eine sinnvolle Analyse überhaupt möglich ist. All das geschieht im Übrigen bereits seit Oktober 2022 durch die Bundeswettbewerbsbehörde.
Haben die Lebensmittelpreise im österreichischen Handel im EU-Vergleich den höchsten Zuwachs verzeichnet?
Fakt ist: Die Agenda Austria hat gestern eine EU-weite Studie veröffentlicht, die klar zeigt, dass der österreichische Lebensmitteleinzelhandel im EU-Vergleich im untersten Drittel liegt, was die Veränderung der Preise zwischen März 2022 und März 2023 betrifft – und das, obwohl in Österreich die Energieabhängigkeit von russischem Gas deutlich höher als in anderen EU-Ländern ist.
In Österreich haben sich die Lebensmittelpreise im Jahresvergleich um 14,6% erhöht, während sowohl Deutschland als auch der EU-Schnitt bei über 20% liegt. Die Länderübersicht von Agenda Austria mit Eurostat-Daten befindet sich hier. Im März sind übrigens die Preissteigerungen in der Gastronomie deutlich über jenen der Supermärkte und Nahversorger gelegen. Die Zahlen belegen, dass der heimische Lebensmittelhandel lediglich die Weltmarktpreise weitergibt – und dies in einem deutlich geringeren Ausmaß als in den meisten anderen EU-Ländern.
Haben die Lebensmittel-Eigenmarken den größten Preisanstieg verzeichnet?
Fakt ist: Der österreichische Lebensmittelhandel bietet gerade durch seine Eigenmarken für jede Geldbörse erschwingliche Produkte in guter Qualität an. Bei Eigenmarken-Artikel aus dem Grundnahrungsmittelbereich fallen steigende Produktionskosten aufgrund der knappen Kalkulation und niedrigeren Preise naturgemäß stärker aus als bei höherpreisigen Markenartikeln.
Der Handel spart bei den Eigenmarken u.a. an den Kosten für die Vermarktung, dafür fallen die teurer gewordenen Rohstoffe prozentuell stärker ins Gewicht. Dazu kommen noch steigende Preise für die Verpackung sowie höhere Energiekosten.
Welche Hebel gibt es, um die Preise zu senken?
Fakt ist: Ein treffsicherer Energiekostenzuschuss. Aufgrund der Tatsache, dass die heimischen Handelsbetriebe bisher komplett auf ihren massiv gestiegenen Energiekosten sitzenbleiben (da der Energiekostenzuschuss 1 de facto ein reiner Industriekostenzuschuss war), wird es bis Jahresende in 1.000 österreichischen Gemeinden keinen Nahversorger mehr geben.
Weder eine Bäckerei, noch einen Fleischhauer noch einen selbstständigen Lebensmitteleinzelhandelskaufmann/-frau. Hohe Energiepreise führen dazu, dass Nahversorger pro Standort statt 40.000 Euro Energiekosten für Kühlung und Betrieb nun an die 200.000 Euro zahlen.